Autismus ist keine Krankheit, es ist eine seelische Behinderung, die sich in sozialen und emotionalen Schwierigkeiten äußert.
Es gibt keine klare, allgemeingültige Beschreibung von Autismus; jede:r ist anders.
Eltern brauchen viel Verständnis, Wissen und Einfühlungsvermögen, um ihr Kind mit Liebe zu begleiten; das kann auch mal an und über die Grenzen der Kraft gehen.
Eltern sind Experten für ihr eigenes Kind und arbeiten im Idealfall mit Schule & Co zusammen.
„Autismus-Spektrum-Störung“
ist die korrekte Bezeichnung und zugleich ein Sammelbegriff. Die Einschränkungen reichen dabei von kaum wahrnehmbar bis hin zu massiven Kontaktstörungen und Verhaltensauffälligkeiten.
Menschen mit Autismus sind unterschiedlich, so sehr unterschiedlich wie „neurotypische“ Menschen auch. Kennst du einen Autisten, kennst du einen. Keiner passt in irgendeine Schublade, jeder hat seine individuell typischen Merkmale.
Was ist Autismus nun genau?
Wer es genau wissen möchte, muss zu Fachliteratur greifen. Wir können hier nur einen ganz kurzen Eindruck, eine Zusammenfassung aus Elternsicht geben.
Autismus-Spektrum-Störung gilt als seelische Behinderung, eine Störung im sozialen und emotionalen Bereich; sie äußert sich vornehmlich im Kontakt mit anderen Menschen oder der Welt, wie sie eben ist. Manche sprechen von einer „inneren“ und „äußeren“ Welt – das Ich und der Rest der Welt – passen von der Empfindung her nicht ganz oder gar nicht zusammen. Medizinisch geht man von einer Störung der Spiegelneuronen aus, die dafür zuständig sind, Gefühle anderer zu spiegeln, also nachzuempfinden. Im Gegensatz zum landläufigen Vorurteil ist es keineswegs so, dass Autisten „keine Gefühle“ haben – häufig sind es sogar zu viele Gefühle, Eindrücke, Wahrnehmungen, Anforderungen, die auf jemanden einströmen. Es fehlt quasi eine Art Filter, der blitzschnell Wichtiges von Unwichtigem trennt. Manche Autist:innen beschreiben das so, dass sie permanent von Wahrnehmungen zugedröhnt werden. Ausblenden ist nicht möglich.
Wenn man sich vorstellt, dass man ständig jedes leise Brummen, jedes Ticken und Piepen, die Berührung der Kleidung auf der Haut, jedes Flackern von Bildschirmen, jeden unangenehmen Geruch genauso intensiv wahrnimmt wie die Unterhaltung mit der Freundin, die Buchseite, den Windhauch – dann kann man sich vorstellen, dass für das Wahrnehmen von Gefühlen, Gesichtsausdrücken anderer, für Körpersprache einfach keine Kapazität mehr übrigbleibt. Es ist eine dauerhafte Überforderung, die keinen Moment aussetzt. Als ob man kocht und zu gleichen Teilen Wasser, Nudeln, Tomaten, Salz, Ei, Gewürze, Sahne und Schinken verwendet. Ungenießbar!
Diese Wahrnehmung bedeutet einen immensen Stress. Wir Eltern lernen immer mehr, was unsere Kinder als unerträglichen Stress empfinden und was sie gar nicht wahrnehmen oder filtern können. Und vor allem, wie wir ihnen helfen und was wir vermeiden können. Es ist oft eine Gratwanderung zwischen Zumutung und Zutrauen. Und ein ewiger Kompromiss zwischen dem, was wir wollen, und dem, was geht.
Wie macht sich Autismus bemerkbar?
Entgegen des Bildes, das in Medien von Autisten gezeichnet wird, sind Kinder nicht so kontrolliert und exakt wie Young Sheldon und nicht (oder nur ganz selten) inselbegabt wie Rainman. Viele leiden unter dem Stress und können ihre Emotionen gar nicht im Zaum halten; nicht selten kommt es zu Ausbrüchen, die Trotzanfällen ähneln. Das liegt an einem „Zuviel“ an Gefühlen – nicht zu wenig, wie es das Vorurteil behauptet. Kinder mit Autismus können zwar intellektuell ihrem Alter voraus sein, aber emotional noch viel jünger sein. Sie können diskutieren wie ein Erwachsener und gleichzeitig trotzen wie ein Kleinkind. Das ist ein Ausdruck der inneren Überforderung. Wir Eltern können lernen, einerseits den Stress zu reduzieren oder aufzufangen, und andererseits die Toleranz solcher Situationen mit den Kindern einzuüben. Autismus ist nicht heilbar – aber viele Kinder verfügen über eine große Anpassungsfähigkeit und können schrittweise lernen, schwierige Situationen zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Dabei haben Eltern einiges auszuhalten, eben weil unsere Kids sich bei uns sicher fühlen und ganz sie selbst sein können.
Andere Kinder sind ganz still und zurückgezogen und kommen nur wenig in Kontakt. Sie leben zum Beispiel in einer Welt der Bücher oder beschäftigen sich mit besonderen Themen; sie können nur schwer ihre ureigensten Wünsche identifizieren, geschweige denn aussprechen. Diese Kinder fallen oft kaum auf und werden seltener mit ASS diagnostiziert als die mit einem raueren Umgangston. Manchmal werden sie nur deshalb einem Arzt vorgestellt, weil die Eltern schon ein Kind mit Autismus haben und gewisse Anzeichen wiedererkennen.
Manche Kinder mit Autismus haben auch Störungen in der Aufmerksamkeit (ADS oder ADHS), das nennt man eine Teilleistungsstörung. Es kommen auch häufiger Lese-Rechtschreib-Störungen oder Dyskalkulie vor. In den Fällen gibt es Medikamente, die helfen können und die auch allgemein eine Verbesserung bewirken. Direkt „gegen Autismus“ gibt es keine Medikamente und keine Heilungsmöglichkeit – schließlich ist es keine Krankheit, sondern eine Störung, eine Art „Behinderung“, auch wenn wir das ungern aussprechen. Manche sagen lieber „Einschränkung“.
Die Held:innen der 2. und 3. Reihe
Eltern und Schule / Kindergarten sind jedenfalls nicht nur Betroffene, sondern zugleich Therapieeinrichtung. Im Alltag treten die Schwierigkeiten zu Tage und es müssen Lösungen gefunden werden. Mit der Zeit werden Eltern (im Idealfall) zu regelrechten Experten für ihr Kind; es ist immer schön, wenn Lehrkräfte und Betreuungen dieses Potential erkennen und zu einer Zusammenarbeit bereit sind.
An alle Eltern, Großeltern, Geschwister, Schulbegleiter und so weiter, die ein autistisches Kind im Leben begleiten und für es einstehen: Ihr seid klasse!
Wichtig: Diese Zusammenfassung aus Elternsicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Korrektheit. Die Rechte für diesen Text liegen beim Verein Autismus Schwäbisch Hall e.V. und der Autorin Katrin Hügelmaier.